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Dienstag, 4. Mai 2010

ANZAC Day






Leute lasst euch sagen: Herbst in Australien ist auch nicht immer spassig. Tagsüber ist es wirklich herrlich. Aber sobald die Sonne weg ist, und wenn auch nur durch einen Schatten, ist es empfindlichst kalt. Da ist man schon mehr als verwundert, dass der eine oder andere Australier noch immer in Shorts und kurzärmeligen Hemden rumläuft.
Letzte Woche war es morgensfrüh häufiger sehr nebelig, so dass es nicht ganz so kalt war. Die obere Hälfte der Hochhäuser von Sydney’s Innenstadt war in Nebel eingehüllt und man wartete irgendwie auf Schneeflocken.

Die neue Woche fing für mich direkt spannend an: Seit Sonntag waren neue Tickets gültig. Man bekommt immer noch Tickets für Bus, Bahn oder Fähre. Aber man kann jetzt auch ein Ticket für alle zusammen bekommen. Diese Tickets sind in drei Zonen unterteilt. Die Idee dahinter ist, die Leute aus den Autos raus in die öffentlichen Verkehrsmittel zu bekommen und vorallem für Langstreckenpendler die Preise günstiger zu machen. Für mich ist das toll. Denn auch wenn natürlich die lästige Pendelei bleibt, bezahl ich jetzt gut hundert Dollar weniger und kann mit meinem Ticket alle Busse, Bahnen und Fähren im Grossraum Sydney benutzen.
Als ich Montagmorgen dann in Blacktown ankam, war im Bahnhof ungewöhnliches Gewusel. Nach zwei Wochen Ferien hatte die Schule wieder begonnen und alle Schüler waren so natürlich auch wieder unterwegs. Unter die Menge mischte sich dann noch ein Fernsehteam von „nine“, da man von den Pendlern direkt wissen wollte, was sie von den neuen Tickets halten.
Ich persönlich finde es nicht nur des gesparten Geldes wegen super. Immerhin sind die Leute an den Bushaltestellen viel schneller im Bus, als wenn sie erst noch ihr Ticket bezahlen müssen. Sehr viele haben das neue Ticket schon. Das zeigt man dem Fahrer und schon hat man wieder was Zeit gespart. Das ist auch gut so, da die Busse momentan mehr zum Zuspätkommen tendieren.

Am Dienstagabend hatte nur ich einen geruhsamen Feierabend. Um die Zeit, wo man normalerweise auf der Couch langsam wieder wach wird, um ins Bett zu gehen, musste Lutz nochmal raus. Immermal wieder wird nachts der Harbour Tunnel für Wartungs- und Reinigungsarbeiten gesperrt – da kann man dann auch die Herren von den Blitzkisten antanzen lassen. Na ja, so lang war es dann auch nicht, bis Lutz mir dann ins Bett folgen konnte.

Wir hatten aus dem Internet erfahren, dass man am ANZAC Day traditionell zu einem Cricket- oder Rugby-Spiel geht. Sonntag war dieser Tag ja und wir haben Freitag noch schnell Tickets für das einzige an diesem Tag stattfindende Rugby-Spiel bestellt. Das war durchaus so kurzfristig noch möglich, da die Tickets gerade erst freigegeben worden waren.

Ausserdem brachte Lutz am Freitag dann unser Entertainment Book mit, das Dean uns bei der Cancer Council besorgt hatte. Das ist so ähnlich wie in Deutschland diese Gutscheinbücher. Nur wesentlich dicker und mit wesentlich mehr Gutscheinen. So gibt es ausser Gutscheinen für „das zweite Essen auf Kosten des Hauses“ auch welche für Cafes, Supermärkte, Fastfood-Ketten. Da bekommt man dann eine Kleinigkeit für den Gutschein. Oder es gibt Gutscheine mit denen man ermässigten Eintritt zu Museen, Tierparks u. ä. bekommt. Auch an Reiselustige wurde gedacht. Die eine oder andere Reise kann man sich z. B. durch eine bezuschusste Wellness-Behandlung versüssen.
Da Lutz auf seinem Weg zwischen Arbeit und Heim in Crows Nest an einer Ampel neben einer Pizzeria halten musste, war der auf Pizza ganz scharf. Da ist es natürlich praktisch, dass man bei genau dieser Pizzeria auch mit dem Entertainment Book weiterkommt. So haben wir uns den Abend dort versüsst und direkt das Buch eingeweiht. Na ja, soweit man bei Pizza und Pasta von „süss“ reden kann.
Die Pizzeria sieht von aussen ehr wie ein Imbiss und take away aus. Wenn man aber weiter durch geht, kommt man in den Restaurantbereich, der ein wenig an eine kleinere Version des Belanovas in Solingen erinnert. Und die Musik war mir sehr vertraut. Die wurde schon gespielt, als ich Ende der Siebziger mit Mutti, Vati und Bruder das erste Mal in Südtirol war. Bei so viel Vertrautem fühlten wir uns dort sofort wohl. Die italienischen Wirtsleute waren sehr nett und auch wenn wir auf Carpaccio verzichten mussten, war das Essen sehr gut. Endlich mal italienische Küche, wie wir sie gewohnt sind!!

Der Samstag verlief unspektakulär: Laufen, Fischmarkt, einkaufen, ausruhen, Samstag rum. Ach ne, nicht ganz: Zum Abendessen wollten wir eigentlich zum Rag & Famous nach North Sydney runter laufen. Das Wetter war aber so unbeständig und wir haben ja nur einen kleinen Schirm, so dass wir das Auto genommen haben.
Durch den Feiertag gab es ein langes Wochenende und der eine oder andere schien die Chance für einen Kurzurlaub genutzt zu haben. North Sydney erscheint ja sowieso nach dem Feierabend der vielen Firmen immer wie ausgestorben zu sein. Jetzt hatte man noch mehr den Eindruck: Wir bekamen direkt vor der Kneipe einen Parkplatz und drinnen hatte man auch noch fast die freie Auswahl, welchen Tisch man nimmt. Es gab nur eine „Mädelstreff“ älterer Damen und ein paar Anfang zwanzig Jährige, die sich zum Rugby-gucken trafen. Das lief dort auf allen Bildschirmen.
So konnten wir dann bei unserem Abendessen uns schonmal ein wenig in das Spiel „eindenken“. Es musste so passieren, da das Internet zum Thema „Spielregeln“ nicht wirklich viel hergibt.

Dafür war der Sonntag dann wieder aufregender. Es war ANZAC Day (Australia New Zealand Army Corps Day), der Tag, an dem Australien und Neuseeland (und Tonga!) seinen im 1. Weltkrieg in der Schlacht von Gallipoli gefallenen Soldaten gedenkt.
Das muss eine sehr tragische Sache gewesen sein. Da man ja auch damals schon zum Britischen Commonwealth gehörte, hiess es irgendwann für Australien und Neuseeland, die Briten in der Türkei zu unterstützen. Und wie das wohl häufig dann ist, ist es modern, sich zum Militär zu melden. Der letzte bekannte Veteran ist 2002 mit 103 Jahren gestorben. Aber er hatte sich als Jugendlicher älter gemacht, damit er mitkonnte. Wie verrückt ist das?!
Jedenfalls wurden direkt am ersten Tag, welches der 25.04.1915 war, in Gallipoli zweitausend Soldaten getötet. Das ist ein Viertel aller dort getöteten Australier und Neuseeländer. Welch Schock! Lutz hatte bei der Anzahl der Toten die Vorstellung, dass man das wohl australisch locker angegangen ist und die Türken auf alles vorbereitet waren.
So wird jedes Jahr am 25. April den Gefallenen gedacht. Solang es sie gab, haben Gallipoli-Veteranen die ANZAC-Paraden, die man wohl besser Trauerzüge nennen sollte, angeführt. Und eigentlich gedenkt man inzwischen allen, die irgendwann Australien verteidigt haben.
Lutz und ich waren Sonntagmittag dann in Townhall. Dort startete eine der vielen „Paraden“ über George Street. Wir haben noch nie so viele Dudelsackspieler auf einem Haufen gesehen!! Es waren hunderte. Und alle spielten „Scotland the Brave“ (das kennt jeder - guckt: http://www.youtube.com/watch?v=Jiz-b7-0FgY - ja, ne?) . Das war schon sehr beeindruckend! Es folgten weitere Musiker, Blaskapellen, Trommler. Es war ein Trauerzug, denn dann folgten Menschen mit versteinerten Mienen, die den Gefallenen dachten.
Der Zug war relativ kurz und war nach kurzer Zeit zuende. Man hatte aber die Möglichkeit, sich anzuschliessen. Das taten einige, so dass er am Ende doch sehr lang gewesen sein muss.
ANZAC Day beginnt eigentlich sehr früh. Bereits um sechs gibt es eine Zeremonie, die auch nachmittags noch Sydney-weit auf Fernsehern noch zu sehen war. Und ANZAC Day ist dafür bekannt, dass schon sehr früh sehr viel getrunken und „two-up“, ein Münzspiel, was die Soldaten in Gallipoli wohl viel gespielt haben, gespielt wird.
Dass dieses Spiel gespielt wurde, haben wir nicht gesehen. Aber als wir von Townhall aus uns ein wenig in die Richtung des Sydney Football Stadiums begeben haben, konnten wir bei vielen Kneipen sehen, dass die Leute schon „gut dabei” waren. Wer weiss, wann die angefangen hatten, zu trinken. Viele Blaskapellen und Trommler zogen von Kneipe zu Kneipe, um dort zu spielen und Geld für den guten Zweck zu sammeln.
Nach einem kleinen Spaziergang kamen wir dann auch am Football Stadium an. Dort rannten schon jedemenge „supporter“ (fans) der Illawarra Dragons rum. Klar, die hatten ja auch eine kleine Anreise. Die Fans der Sydney Roosters konnten ja noch eben Kaffeetrinken, bevor sie sich auf den Weg ins Stadion machten.
Im Stadion selber waren wir froh, als wir entdeckten, dass unsere Plätze überdacht waren. Denn in der Zwischenzeit hatte es angefangen zu regnen. Ausserdem ist es ein Lotterie-Spiel, in Australien Karten zu bestellen. Man weiss nur, in welchem Bereich die Plätze sind. Alles andere erfährt man erst später vor Ort.
Während das Station sich füllte, hatten wir unseren Spass, die Vorbereitungen des Programmteils und die Leute zu beobachten. Dadurch, dass der Spielbesuch auf ANZAC Day Tradition hat, waren auch jedemenge Familien dabei.
Ich hatte noch meinen ganz eigenen Spass, als ich feststellen musste, dass sehr viel Realität in „Asterix bei den Briten“ übernommen worden ist. Klar, die Zuschauer sind wohl bei fast jeder Sportveranstaltung gleich. Auf dem Spielfeld spielten schon zwei Mannschaften gegeneinander. Die Spieler mit ihren Trickots hätten gemalt auch aus dem Asterix-Heft kommen können. Irgendwie bin ich „in Asterix getaucht“. Überhaupt nicht mehr ein bekam ich mich, als neben den Reservebänken jeweils zwei grosse Gatorade-Fässer aufgestellt wurden. Das gehört ja zu der Asterix-Geschichte, dass die Spieler dort auch flüssige Erfrischung aus Fässern bekommen. Tja, und in einem ist dann der Zaubertrank versteckt. Das Fass sollte ja eigentlich dem Stamm von Asterix’s Cousin beim Kampf gegen die Römer helfen. Neben ein paar anderen Fässern verlieren Asterix & Co. ihre Lieferung und finden ein Fass halt beim Rugby-Spiel wieder. Ach ja, Teefax, der Cousin, hätte auch ein australischer Rugby-Fan sein können. Lustig!
Bevor das Spiel aber losgehen konnte, gab es noch eine Zeremonie anlässlich des ANZAC Days. Der Rasen eines Rugby-Feldes ist nicht so gepflegt wie ein Fussballrasen. So wurde dann in die Mitte, wo es praktischerweise auch am Übelsten aussah, eine rollbare Bühne gestellt. „Waltzing Mathilda“-spieltend marschierte eine Militärkapelle ein und australische und neuseeländische Soldaten marschierten mit den entsprechenden Flaggen hinterher, um um die Bühne herum sich dann zu einem Schaubild zusammen zu stellen.
Es folgte, dass Reden gehalten wurden, es gab eine Schweigeminute für die Gefallenen und eine Soldatin sang die offizielle Nationalhymne. Die inoffizielle ist ja „Waltzing Mathilda“. Übrigens singt fast jeder deutsche Fussballer besser die Deutsche Nationalhymne als die Rugby-Spieler die australische...
Da ein Spiel ohne Pokal auch kein richtiges Spiel ist, musste noch ein Pokal her. Das war eine gelungene Schau: Mit einem Black Hawk Hubschrauber wurde der Pott ins Stadion geflogen!! Das war schon was! Nachdem der Hubschrauber sich einmal um die eigene Achse gedreht und brav mit „der Schwanzflosse“ zum Abschied gewunken hatte, ging alles ganz schnell: Eben das Spielfeld freiräumen, damit die Spieler loslegen konnten.
In zwei jeweils vierzig Minuten dauernden Halbzeiten konnten die Dragons dann beweisen, dass sie an dem Tag die wesentlich bessere Mannschaft waren. Die Roosters verloren mit einem riesigen Abstand.
Auf unserem Weg runter zur Central Station sind wir dann mit einigen feiernden Illawarra Fans in eine Kneipe eingefallen. Idealerweise kamen wir genau noch rechtzeitig, dass wir unser Abendessen draussen auf der Terrasse essen konnten, bevor es dann nach Hause ging. Das Timing war super – so war der grösste Schwung Leute schon längst unterwegs.

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